Wir gratulieren Bob Dylan zum Nobelpreis für Literatur und freuen uns sehr über diese Wahl 🙂
Interessant finde ich aber auch manche Reaktion seitens mancher Feuilletonisten und ähnlichem, die diese Entscheidung kritisieren.
Ich meine damit nicht die – jedes Jahr aufs neue zu hörende – Klage darüber, dass es doch irgendwer anders „mehr verdient“ habe, das ist müßig, der Nobelpreis ist ja kein Wettbewerb, er zeichnet überragende Werke bzw. Künstler_innen, die solche erschaffen aus, aber eine Auszeichnung des einen sagt dabei nichts über den Wert anderer aus und neben jeder Auszeichnung stehen hunderte nicht ausgezeichnete, die den Preis ebenso gut verdienten.
Aber es wird Dylans Werk auch verschiedentlich abgesprochen, überhaupt „Literatur“ zu sein, oder wenn, „preiswürdige“ solche, weil es sich ja um explizit zum Zweck des Gesanges/der Perormance geschaffene Texte handle. Allerdings würden dann auch Theaterstücke rausfallen, inklusive Goethes Faust oder Lessings Nathan, denn die wurden ja auch primär und zum Zweck geschrieben, performed zu werden.
Das einzige Argument das zählt ist IMO das Kriterium, das Nobel in seinem Testament selbst für den Preis gesetzt hat, denn dass auch Songtexte grundsätzlich unter Literatur fallen ist eigentlich unbestritten,…
„Literatur ist (…) der Bereich aller mündlich (etwa durch Versformen und Rhythmus) oder schriftlich fixierten sprachlichen Zeugnisse.“
(Wikipedia)
… aber eben Voraussetzung, aber nicht Kriterium für „preiswürdig“.
Die erste zu beantwortende Frage, um überhaupt zu schauen, ob das zu betrachtende überhaupt für eine Untersuchung auf Preiswürdigkeit taugt ist freilich: „Ist es Literatur?“ – und da ist die Antwort völlig objektiv „Ja“.
Jetzt erst stellt sich die eigentliche Frage nach der eigentlichen Preiswürdigkeit. Nobel schrieb dazu ins Testament:
„(…) „one part to the person who shall have produced in the field of literature the most outstanding work in an ideal direction (…)“
Man kann sich grundsätzlich immer darüber streiten, ob es nicht andere literarische Werke gibt, auf die diese Kriterien auch zutreffen, vielleicht sogar „besser“, aber Dylans Texte passen eben auch in diese Anforderung, da seine Texte auf Generationen von Menschen einen Impact hatten und vielleicht sogar noch haben – sie haben Rebellion gefordert, unterstützt und vielleicht sogar ein bisschen mitverursacht, sie haben Ideale formuliert und Idealisten unterstützt und gestärkt und sie sind in vielfältige Weise eingeflossen in die (Pop)Kultur weit über ihre vielleicht primäre Funktionalität als zu singende Texte hinaus.
Und das Argument „aber das ist doch (nur / ausschließlich / nicht zu trennen von seiner) Perfomance“ halte ich für nicht gegeben (mal davon ab, ob man das überhaupt als Gegenargument zählen lassen möchte, da könnte man ja auch nochmal drüber streiten), da gerade seine Texte oft auch und gerade außerhalb seiner eigenen Performance bekannt sind (und manchmal weiß man garnicht, dass das von ihm ist) und von anderen nicht nur musikalisch sondern oft auch „nur“ textlich zitiert werden, schriftlich wie mündlich oder auch in Bildern und Filmen.
Objektiv betrachtet entspricht das Werk deshalb allen Anforderungen, und es bleibt eigentlich nur die Frage, ob man subjektiv die Entscheidung, dieses literarische Gesamtwerk, dieses Jahr, und im Vergleich mit anderen, mindestens ebenso oder vielleicht gar als „wichtiger“ empfundenen Werken mittragen möchte oder nicht. Das aber hat IMO nichts mit der Frage nach einer grundsätzlichen „Preiswürdigkeit“ zu tun.
Einen weiteren Aspekt, weswegen speziell ich diese Wahl für großartig halte ist eben genau das: dass Lyrik, die als Songtexte geschrieben wurden, eben auch einmal berücksichtigt werden, ich kenne einige Songwriter_innen, die derzeit eine große Befriedigung empfinden, weil hier – endlich – auch ihre literarische Leistung quasi „mitgewürdigt“ wird, einfach nur, weil hier das Genre endlich einmal zu Ehre kommt.
Gerade als Mitglied einer Band, die auf die poetisch-lyrische Qualität ihrer eigenen Texte extrem hohen Wert legt und dabei auch hofft, dass diese Texte auch inhaltlich tragen, stützen und Einfluss nehmen ist das eine richtig große Sache auch für mich und uns.
Ja, diese Anerkennung strahlt durchaus auf alle Songwriter_innen ab, die in ihre Texten Idealismus, Herzblut und ihr Innerstes hineinstecken und hoffen, dass diese Texte Resonanzen verursachen, die über Hintergrundgedudel deutlich hinaus gehen.
Und ein weiterer Aspekt, speziell für Deutschland, der mich diebisch freut: Dass es sich um Popkultur handelt, und das Nobel Komitee die hiesige immer noch und oft dünkelhaft tradierte Grenze zwischen „E“ und „U“ mal eben völlig durchbricht. Und eben auch anerkennt dass auch „U“ hohen gesellschaftlichen Impact aus literarischem Wert heraus erzielen kann.
P.S.: Karan hat auf ihrer eigenen Seite auch etwas zu dem Thema geschrieben.