Umsonst ist nicht kostenlos 6


Dienstag, 25. Juni 2013

Heute will ich mal aus dem Nähkästchen plaudern. Wenige Musiker oder Bands erzählen etwas über ihre Probleme, das ist unsexy, das zerstört das Image von „Erfolg“ oder Glamour, das will auch selten jemand hören, das ist Gejammer, das gern mit „Wenn euch die Bedingungen nicht passen macht halt was anderes“ abgetan wird, das ist unbequem. Wahrscheinlich deshalb reden viele Künstler oder Bands selten von ihren Problemen und den Bedingungen, unter denen sie leiden, obwohl sie sich hier und da durchaus auch mal beschweren.

Wenn sie es denn doch mal tun, dann aber leider oft so pauschal und falsch adressiert, bis hin zu völlig überzogenen Publikumsbeschimpfungen, was wiederum nur zwei Dinge zeigt: einmal, dass sie offenbar ihre eigenen Probleme nicht verstanden haben und zum zweiten (was sich auch irgendwie aus dem ersten ergibt), dass sie nicht begriffen haben, wer ihre Verbündeten sind: ihr, die Menschen, die ihre Musik hören und lieben. Ich kann ja nicht erwarten, dass Menschen verstehen, warum selbst vermeintlich „erfolgreiche“ Künstler einen großen Frust haben, wenn sie merken, dass ihre Arbeit zwar gern genommen wird aber ungern mit Gegenwert versehen wird, wenn ich ihnen nicht erzähle, was da wirklich dahinter steht.

Auf beleidigtes Anpampen wird dann, zu Recht, mit Unverständnis und Ablehnung reagiert. Ich kann doch nicht von Menschen erwarten, dass sie meine Arbeit wertschätzen, die ich offenbar selbst so wenig wertschätze, wenn ich sie nur beschimpfe anstatt mich mit ihnen zu verbünden und zu verbinden, indem ich ihnen die Dinge, die mich umtreiben, erkläre. Wertschätzung und Verstehen erreiche ich nicht durch Befehl und Anklage von oben herab. Sondern durch Nachvollziehbarkeit und Offenheit auf gleicher Augenhöhe.

Und ja, das wird jetzt mal wieder etwas länger, weil ich versuchen will, entgegen der heute üblichen polarisierten „Alles ist supie“ vs. „Alles ist Scheiße“ – Darstellungen das Ganze etwas differenzierter anzugehen.

Vorweggeschickt sei aber auf jeden Fall noch, dass das Folgende, speziell wenn es um die sogenannten „Konsumenten“ geht, für unsere Fans am wenigsten zutrifft, und darüber sind wir auch sehr sehr glücklich – wir haben nämlich richtig tolle Fans!

Foto: Bettina Pfeuffer

Es geht um das leidige Geld. Denn es kostet Geld, Musik zu machen, und das nicht zu knapp. Musiker kaufen Instrumente und Zubehör, sie brauchen Räumlichkeiten, sie müssen mobil sein, sie benötigen viel Zeit, zum üben, um Promotion zu machen, um an andere Orte zu kommen. Wenn sie ihre Musik veröffentlichen wollen, benötigen sie weiteres Equipment, noch mehr Zeit, weitere Menschen, die Dinge für sie tun. Wenn ein Album dann veröffentlicht werden soll, muss Artwork erstellt werden, gedruckt, eine CD gepresst, konfektioniert und verschickt werden. Selbst wenn man „nur“ digital veröffentlicht, braucht man einen Distributor, der die Daten auf verschiedene Plattformen verteilt, auf denen sie verkauft werden können.

Auch diese Dienstleistungen kosten erst einmal Geld. Bis ein Musiker oder eine Band ein Album bei iTunes oder Amazon oder Google oder wo auch immer stehen hat, wo das dann für einen Zehner verkauft wird, von dem die Band dann je nachdem zwischen 30 bis 75% des Verkaufspreises abbekommt, ist also schon ein kleiner 5-stelliger Betrag von den Musikern selbst investiert worden, und da ist jetzt nicht mit eingerechnet, was es gekostet hat, überhaupt soweit zu kommen, dass man über eine Produktion eines Albums nachdenken kann, also Ausbildung, Stilentwicklung usw. usf..

Dieses muss man im Hinterkopf haben, wenn man einem Musiker erzählt, dass „eine Datei ja keinen materiellen Wert“ habe – was für die Datei selbst ja sogar streng faktisch stimmt – aber eben nicht dafür, welche Nullen-und-Einsen-Folge genau in ihr gespeichert ist. Nein, die Datei selbst mag keinen materiellen Wert haben. Aber dass sie in dieser Form existiert, der Weg dahin, die Möglichkeit, sie zu erstellen und sie genau so zu erstellen, hat eine Menge Geld und Zeit gekostet.

Nein, man zahlt bei einer Datei nichts Materielles wie bei CDs. Aber genau das tut man bei CDs auch nicht; es ist ein logischer Fehlschluss, dass man bei einer CD „die Verpackung und den Datenträger“ zahle und deshalb bei einer immateriellen Datei, weil das Materielle da wegfiele, gar keine Rechtfertigung mehr existiere, dafür Geld haben zu wollen. Denn auch bei einer CD zahlt man nicht nur die Verpackung. Um zu wissen, wieviel eine solche Verpackung alleine im Stückpreis „wert“ wäre, also reiner Materialwert, ohne Artworkerstellung, Texte, Arbeitszeit, muss man ja nur mal auf diverse Webseiten von Presswerken gehen und dort nachsehen, wieviel z.B. eine 1000er Auflage einer Musik-CD in 8-seitigem Digipak mit 20-seitigem Booklet kostet (was den Spezifikationen unseres letzten Albums „JETZT“ entspricht). (Und wer wissen möchte, warum denn eine so große Auflage, der tippt einfach mal „500“ bei Anzahl ein und schaut, wie sich der Preis verändert)

Wer rechnen kann, kann also relativ einfach ausrechnen, ab wann ein Musiker beginnt, den ersten Cent „Gewinn“ zu machen: sobald die Summe der Online-Erlöse und die Summe der Differenz zwischen Stückpreis und Verkauspreis der verkauften CDs langsam in den 5-stelligen Bereich kommt. Und selbst das ist noch eine „falsche“ Rechnung, denn in der Zeit, die das benötigt, sind ja weitere laufende Kosten zu schultern. Aber selbst diese vereinfachte Rechnung zeigt schon, wie schwer es ist für kleine, unabhängige Musiker außerhalb des großen Musik-Business und ohne riesige Fanbase, sich vom Verkauf eigener Musik finanzieren zu können – geschweige denn, davon „leben“ zu können. Bzw.: wie unmöglich, solange DAS die einzige Einnahmequelle bleibt.

Jetzt lese ich dann auch hier und da immer mal wieder, dass Musiker heutzutage ja auch nicht mehr Geld mit dem Verkauf von Studioaufnahmen verdienen würden (inklusive des „wertlose Dateien“-Arguments), sondern durch Liveauftritte. Das mag für sogenannte „Coverbands“ zu einem Teil sogar zutreffen. Aber leider nicht für Bands, die ausschließlich eigenes Material darbieten. Vom „Merchandising“ ganz zu schweigen, denn auch so etwas muss vorfinanziert sein und lagert ersteinmal als totes Kapital in Kartons im Keller – die 50 T-Shirts. die ich im Laufe eines Jahres vielleicht verkaufen kann, muss ich mir vorher erst mal selbst leisten können. Bzw. meist eher eine größere Anzahl, damit der Stückpreis wenigstens brauchbar ist. Kauft ihr mal 100 Shirts auf einmal, in der Hoffnung, sie in den kommenden 2 Jahren wieder loszuwerden. Zumal dafür auch Gelegenheiten benötigt werden. Sprich: Gigs.

Da sieht die Realität nämlich seit langem schon so aus, dass die wenigen Möglichkeiten, live zu performen, wenig bis gar nicht mehr bezahlt werden. Das Wort „Gage“ ist inzwischen ein Fremdwort geworden; selbst große kommerzielle Veranstalter bieten unter dem Euphemismus „Gelegenheit“ kleinen independent-Bands fast nur noch Kostenlos-Slots an. Mit dem Argument, dass das doch „Werbung“ sei, und man sich so „eine Audience erspielen“ könne, muss man inzwischen schon Glück haben, wenn es überhaupt eine Spesenpauschale gibt.

Und diese Slots sind dann auch oft nur Lückenfüller, um auch zu Zeiten schon Livemusik anbieten zu können, wenn die großen Headliner noch nicht spielen, oder auf der Hauptbühne die Umbaupause läuft. Nebenbühne, Freitagnachmittag um 17 Uhr oder Sonntag um 15 Uhr. Denn die Slots, die wirklich zumindest halbwegs zeitlich attraktiv liegen, sind entweder für (in dem Fall meist auch gut bezahlte) Headliner reserviert oder werden verkauft. An Labels, die dort ihre Bands platzieren, um ihr neues Album zu promoten, an Firmen oder Internetplattformen, die den Slot über ein Sponsoring eingekauft haben und dort z.B. über ein Voting Fans von sich auf diese „Gelegenheit“ bewerbenden Bands auf ihre Internetseiten ziehen möchten oder gar Bands selbst, z.B. im Rahmen eines Vorgruppen-Deals mit einem der Headliner. Ja, bekannte Bands/Künstler lassen sich nicht selten dafür bezahlen, dass eine andere Band bei ihnen als Vorgruppe spielen „darf“.

Dieses Interview mit Prof. Salentin (das sich auch vollständig zu lesen lohnt) beleuchtet dieses Übel, mit dem Musiker – auch wir – derzeit zu kämpfen haben: die Forderung „der Märkte“, immer mehr „umsonst“ machen zu sollen. Jedesmal, wenn dort „Jazzmusiker“ steht darf man getrost auch „Rockmusiker“ oder „Popmusiker“ mitlesen.

(…)Das haben viele nicht auf dem Schirm, das Kunst kosten muss. Schüler, die alles umsonst downloaden, Veranstalter, Kneipen z.B., die permanent bei „freiem Eintritt“ veranstalten, aber leider genauso auch Musiker, die permanent umsonst spielen. Es ist eine „umsonst Mentalität“ entstanden, bei denen die, die Musik schaffen, finanziell auf der Strecke bleiben, weil niemand mehr bereit ist, die Künstler angemessen zu entlohnen. Bei Künstlern glauben viele offenbar, eine Bezahlung wäre entbehrlich. Es ist ja Kunst .(…)

(…)Offenbar sind viele Veranstalter der Meinung, es sei für Künstler eine reine Freude umsonst spielen zu dürfen. Wir haben z.B. hier einen Veranstalter bei dem jedes Wochenende bei freiem Eintritt Live-Veranstaltungen stattfinden und manchmal sogar an 2 Tagen in der Woche. Auf meine Frage, was das denn soll, weil man damit ja anderen Veranstaltungen, die Geld kosten, das Wasser abgräbt, lautet die Antwort des Bookers, „ždie Musiker wollen es so. Er ist übrigens derjenige, der daran verdient. Er macht die grafische Werbung, die er sich normal bezahlen läßt. (…)

Das ist also vergleichbar mit einer Praxis, dass ich für eine Party bei einem Restaurant ein Catering anfrage und denen sage „Ich kann Ihnen leider nichts bezahlen, aber es ist ja Werbung für euch, da kommen 50 Leute, von denen dann ja vielleicht einige so begeistert von euch sind, dass sie dann auch mal zu euch ins Restaurant kommen…“ – Duke hatte das hier ja vor kurzem mal verballhornt.

Das Problem ist natürlich da auch: Die Veranstalter machen das, weil sie es können. Zu viele Bands spielen das Spiel mit, viele zähneknirschend, aber nicht wenige auch, weil sie dieses „Das ist doch eine Gelegenheit!“ tatsächlich glauben und nicht merken, dass sie da ausgenutzt werden.

Solange es aber so viele Bands gibt, die zu solchen Bedingungen spielen, solange wird sich an dieser Praxis nichts ändern. Im Gegenteil, die Tendenz geht eher noch zu einer noch schlimmeren Pervertierung, die „Pay to Play“ heißt: Die Bands zahlen dafür, irgendwo auftreten zu „dürfen“. Teilweise wird das recht geschickt gemacht, es gibt „Contests“, bei denen man ein Startgeld zahlen muss und das dem Gewinner durchaus ein Preisgeld verspricht – nicht aber natürlich all den anderen, die nicht gewinnen. Um zu gewinnen, müssen die Bands dafür sorgen, dass Publikum zu den Veranstaltungen kommt, dass ihre Fans voten, und vieles mehr – also große Teile des Marketings und der Promotion übernehmen. Es gibt sogar Bands, die kaufen Tickets und verschenken sie, um Publikum für sich zu den Events reinzuholen.

Am harmlosesten sind da noch die sogenannten „Door-Deals“, die entweder einen Teil der Einnahmen des Eintritts an die Band geben oder die Eintrittsgelder bis zu einem Betrag X für sich beanspruchen und alles, was drüber raus geht, dann an die Band weitergeben – da muss man sehr genau rechnen, denn da gibt es natürlich auch sehr schlitzohrige „Angebote“, die sich bei genauem Rechnen nicht mehr lohnen.

Dann sind da noch die Clubs, die nicht mehr selbst veranstalten, sondern den Club an Bands „vermieten“. Andere arbeiten mit Mindestabnahmen von Tickets – und man kann sich vorstellen, wie wenig ein solcher Veranstalter noch selbst in die Promotion eines Konzerts steckt, wenn die Band schon genug Tickets selbst hat kaufen müssen. Wozu sich auch anstrengen, denn wenn die Band diese Tickets selbst verkaufen muss, macht die ja die Werbung dafür. Wenn sie es nämlich nicht tut, bleibt sie auf den Kosten sitzen. Und selbst wenn sie alle los wird, hat sie ja noch nicht einen Cent „verdient“, während der Veranstalter von Anfang an kein Risiko hatte.

So viel Selbstausbeutung wie in der Musik gibt es in kaum einer anderen Branche. Wobei es bei anderen künstlerischen Branchen nicht viel besser aussieht (frag mal einen Schauspieler, wie viele tatsächlich bezahlte Jobs er so im Jahr angeboten bekommt und wie viele nicht bezahlt werden).

Jetzt ist das aber natürlich auch nicht so, dass alle Veranstalter nur Bands ausnutzten – was uns über die letzten Jahre so an kleinen Clubs weggestorben ist, zeigt deren Schwierigkeiten natürlich auch deutlich. Unsere Adressliste wird von Jahr zu Jahr dünner, entweder, weil die Clubs tatsächlich schließen, oder weil sie keine Livemusik mehr anbieten oder weil sie nur noch Coverbands auftreten lassen, um dem Publikum Musik zu bieten, das es kennt. Hier frage ich mich auch, wo denn das Publikum geblieben ist, das neugierig auf Neues und Unbekanntes ist – ich will nicht glauben, dass Musikliebhaber heutzutage nur noch zu Live-Events gehen, wo sie auch nur wieder das zu hören bekommen, was schon den ganzen Tag im Dudelfunk rauf und runter gespielt wird.

Fränkisches Liedermacherfestival Bad Kissingen

Speziell kleine Bühnen, Kulturhäuser und auch Jugendhäuser werden weniger, da die meist auf Unterstützung durch Städte, Gemeinden, Länder angewiesen sind – und in Zeiten leerer Kassen wird seitens der Politik zuerst an der Jugend und an der „niederen“ Kultur gespart. Also an der, die kein Prestige bringt, denn Millionen für eine Elbphilharmonie sind ja offenbar da. Dafür werden Kulturbühnen und Jugendclubs die paar tausend Euro, die sie zum Überleben bräuchten, gestrichen.

Wir haben uns vor einiger Zeit schon entschieden: Wir spielen dieses Spiel nicht mit. Nicht, weil wir uns das so toll leisten könnten. Nein, wir können es uns gerade nicht leisten. Unsere Mindestgage ist gering, wir sind ja nur zu dritt, wir sind nicht in der GEMA, Veranstaltern kostet unser Auftritt also nicht einmal eine GEMA-Gebühr, wir können inzwischen fast das komplette Repertoire auch „unplugged“ und somit auch für sehr kleine Locations passend, ohne lautes Schlagzeug und großer (und lauter) Lautsprecherwand, bis hin zu so klein, dass wir sogar an einem stromlosen Lagerfeuer oder in einem Wohnzimmer spielen können, dennoch seht ihr anhand unseres mehr als leeren Terminkalenders, wieviele Auftritte mit auch nur geringster Gage wir so im Jahr absolvieren, seit wir beschlossen haben: „Umsonst spielen wir nicht mehr“.

Ja, es gibt Ausnahmen, wir spielen hin und wieder auch zu „Charity“-Zwecken, also zu Gelegenheiten, für die wir uns persönlich engagieren, sei es damals beim Castorprotest, sei es, als wir im Stammheimer Knast auftraten, oder beim Würzburger Montagsspaziergang. Das Problem dabei: Eigentlich bräuchten wir vier wenigstens mindestbezahlte Auftritte, um uns einen solchen „Engagement“-Gig leisten zu können. Wer zählen kann, stellt also fest: Auch hier zahlen wir schon seit längerem deutlich drauf.

Es ist nämlich so: Eben weil wir von unserer Musik nicht „leben“ können, müssen wir unser Auskommen anders erwirtschaften, also über „Brotjobs“ – entsprechend weniger Zeit ist übrig, um zu üben, zu proben, zu komponieren, um aufzunehmen, um Promotion zu machen, um aufzutreten. Wir treffen uns zwar jedes Wochenende, das irgendwie geht – also fast jedes – und machen ansonsten abends nach der Arbeit noch Dinge jeweils für uns zu Hause (wie diesen Blogartikel schreiben, üben, an einer Komposition feilen, Veranstalter kontaktieren – was so ziemlich das Demotivierendste und Frustrierendste ist, das man tun kann – etc. pp.), aber das bedeutet eben auch, dass Dinge viel länger dauern.

Etwas, wofür wir zusammengerechnet eigentlich eine Woche „Arbeitszeit“ brauchen, verteilt sich so auf fast einen Monat. Da können wir es uns einfach nicht leisten, im Monat auch noch zwei oder gar drei Tage (Abbau im Proberaum, Fahrt, Aufbau, Spielen, Abbau, Fahrt, Aufbau im Proberaum, je nach Entfernung eine oder sogar zwei Übernachtungen) pro Auftritt zu verbraten, wenn dieser Auftritt nichts einbringt – in diesen zwei bis drei Tagen haben wir ein neues Lied geschrieben und komplett durcharrangiert. Und in weiteren zwei Tagen soweit sicher, dass wir es aufnehmen könnten. Auf unser neues Album, das wir im Mai innerhalb von netto 12 Tagen aufnahmen, kommen neue 12 Songs. Do the math.

Womit lässt sich noch Geld verdienen? Brian May (ja, DER Brian May) gab uns vor zig Jahren mal den Tipp, wir sollten uns doch „einfach mal öfters im Radio“ spielen lassen. In seiner Naivität durchaus drollig, aber natürlich auch in einem wichtigen Punkt „richtig“: Airplay ist das, ohne das kein Musiker mit seinen Werken auch nur ansatzweise „Geld verdienen“ kann. Zum einen, weil man über das Airplay tatsächlich noch nennenswert Tantiemen bzw. Verwertungsausschüttungen bekommt – zumindest normalerweise. Ein Musikerkollege erzählte letztens seinen Fall, dass eines seiner Stücke derzeit fast täglich zu hören sei, aber mangels korrekter Datenweitergabe seitens Sender bzw. Anforderung und Registrierung seitens der GEMA zu keinen Ausschüttungen führt (obwohl der Sender natürlich zahlt, aber wegen einer GEMA-Pauschalregelung ohne sagen zu müssen, wofür eigentlich). Zum anderen weil man aber eben auch Aufmerksamkeit und Reichweite erlangt, also auch indirekt profitiert. Nur: Bekanntlich sind wir nicht bei der GEMA, und eine Mitgliedschaft dort lohnt auch nicht ohne Airplay. Nur gibts auch kein Airplay ohne GEMA. Zwickmühle.

Wobei wir ja bekanntlich auch noch ein paar andere Probleme mit den Bedingungen haben, zu der eine GEMA-Mitgliedschaft nur möglich ist. Unter anderem deren Weigerung, das Creative Commons-Konzept zu unterstützen. Weshalb wir auf die sich demnächst gründende alternative Verwertungsgesellschaft C3S setzen und diese nach Kräften unterstützen.

Fazit: „Umsonst“ heißt eben nicht „kostenlos“. „Umsonst“ heißt, die Kosten trägt jemand anderes. Und in der Musik heißt „umsonst“: die Kosten trägt der Musiker.

Übrigens etwas, das mich zur Weißglut bringt, möchte ich euch nicht vorenthalten: Es gibt immer mal wieder so Spezialisten, die einem mit einem Spruch wie „Hey, ein richtiger Künstler macht das doch nicht wegen des Geldes!“ daherkommt. Nein, wir machen das nicht „wegen des Geldes“, wenn wir Musik „wegen des Geldes“ machen würden wären wir eine Coverband, würden Volksmusik und Schlager schreiben oder gar keine Musik machen. Aber nur weil wir das „nicht wegen des Geldes“ machen, heißt das nicht, dass wir uns ausnutzen lassen wollen. Wenn wir hohe Geldbeträge in unsere Aufnahmen stecken, dann verschenken wir wir das Ergebnis nicht mal eben.

Im Gegenteil, wir sind ja sogar teurer als die industrielle Massenware, weil handgemachte Bio-Qualität nun mal aufwändiger und somit teurer ist als Massenproduktion. Wir müssen unsere Instrumente, unseren Proberaum, die Möglichkeit aufzunehmen, die CD-Pressung, die Verteilung im Netz etc. pp. auch bezahlen, und wenn wir das nicht tun, gibts keine Musik. Wir träumen davon, mehr Zeit in die Musik stecken zu können als wir derzeit können, damit sie noch besser wird, sich noch besser anhören kann, virtuoser gespielt werden kann etc. pp. – dafür benötigen wir in dieser Welt nunmal Geld. Solange es kein Bedingungsloses Grundeinkommen gibt, das auch unentgeltliche Arbeit ermöglicht, muss unsere Musik auch etwas kosten dürfen.

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So, das war lang und ist dennoch noch lang nicht vollständig. Lösungen haben wir dazu leider wenige zu bieten. Aber immerhin ein paar. Neben der Unterstützung der C3S gibt es inzwischen ja noch andere spannende Möglichkeiten, wie zum Beispiel dieses Internet, von dem alle immer reden.

Ich habe ja oben ganz zu Anfang schon angedeutet: Einiges von dem, was ich hier schreibe, gilt für uns nicht in so vollem Maße wie anderes. Wir schätzen uns glücklich, Fans zu haben, die vielleicht zahlenmäßig nur ein Bruchteil von „großen“ Acts sind, aber die wir nicht (mehr) überzeugen müssen, dass unsere Musik etwas „wert“ ist, denn ihnen ist sie etwas wert.

Nicht nur Geld, aber eben auch, was sie uns letztes Jahr beim Crowdfunding für unser aktuelles Album JETZT so eindrucksvoll zeigten, dass wir manchmal vor lauter Freude nicht mehr wussten, was wir sagen sollten. Es hat einige Überwindung gekostet, uns das zu trauen, überlegt hatten wir da ja schon länger. Und jetzt sind wir eine Band, deren Fanbase, die große Bands als „lächerlich klein“ bezeichnen würden, uns die Pressung einer CD ermöglicht haben! Da sind andere mit ähnlichen Projekten und weit größerer Anzahl Fans schon gescheitert, und unsere Fans knacken innerhalb von nur 6 Wochen die 100%-Marke und ermöglichen uns (und sich) eine CD! Wie großartig ist das denn?

Angespornt von dieser tollen Erfahrung haben wir uns deshalb entschlossen, das nächste Wagnis einzugehen und für die Produktion des neuen Albums letztlich mehr Geld auszugeben als wir es uns leisten können – wie oben ja schon erwähnt, leisteten wir uns den „Luxus“, uns für die Aufnahmen relativ ideale Bedingungen zu schaffen. Auch diesmal werden wir wieder ein Crowdfunding starten, um daraus eine CD machen zu können, aber auch, um ein paar der bereits getätigten Ausgaben wieder rein zu bekommen, denn wir sind alle drei keine Großverdiener. Wir planen, im September damit zu starten, und bis Ende November hoffen wir, das Projekt erfolgreich abschließen zu können. [Update: Das Crowdfunding ist inzwischen gestartet, der Start hat sich aus verschiedenen Gründen aber bis Mitte November verzögert, so dass das Crowdfunding für WESTWIND jetzt bis Mitte Februar läuft]

Das Tolle am Crowdfunding ist ja, dass das keine Almosen sind – wer da mitmacht, bekommt ja was für sein Geld. Und wer rechnen kann, merkt auch, dass er weit mehr für dasselbe Geld bekommt als bei einem regulären Kauf später (das digitale Album ist ja immer mit dabei, egal, was man da sonst noch einkauft). Das ist auch für uns „psychologisch“ wichtig, denn auch wir wollen nichts „geschenkt“, denn auch das gehört dazu, wenn wir möchten, dass unsere Musik „etwas wert“ ist: Am Ende muss ein fairer Austausch stehen, von dem alle Beteiligten etwas haben. Denn dann haben alle mehr als vorher. Mehr als Geld und mehr als eine Silberscheibe oder „nur“ ein paar magnetische oder elektrische Zustände auf einer Metall- oder Siliziumoberfläche.

Dann haben wir Musik. Gemeinsam.

Foto: Bettina Pfeuffer